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16. November 2017 – Top 17: Rechtsverstöße in sozialen Medien

„Das Netz ist nicht der Wilde Westen“

Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für die Überprüfung des Gesetzes gegen Hetze im Internet einzusetzen. Es gehe darum, zahlreichen Kritikpunkten und Bedenken Rechnung zu tragen.

Ein Mann bedient eine beleuchtete Tastatur eines Laptops.
Ein Mann bedient eine beleuchtete Tastatur eines Laptops.
© Foto: dpa, Silas Stein

Die AfD-Fraktion will das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) gegen Hasskommentare bei Facebook und Co. auf seine Verfassungsmäßigkeit prüfen lassen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung soll dazu eine abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht beantragen, fordert die AfD in ihrem Antrag. Über ein solches Normenkontrollverfahren kann geprüft werden, ob Normen des Bundes- oder Landesrechts mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

Das NetzDG verpflichtet Internet-Plattformen wie Facebook, Twitter und Youtube zu einem härteren Vorgehen gegen Hetze und Terror-Propaganda. Sie müssen „offenkundig strafbare Inhalte“ innerhalb von 24 Stunden löschen. Für nicht eindeutige Fälle gilt eine Frist von einer Woche. Bei systematischen Verstößen drohen Strafen von bis zu 50 Millionen Euro. Das Gesetz ist seit Oktober mit einer Übergangsregelung in Kraft. Ab 2018 drohen Bußgelder.

Kritiker des Gesetzes bemängeln etwa, dass die Plattform-Betreiber eine Deutungshoheit über die Rechtswidrigkeit von Inhalten bekämen. Die AfD-Fraktion kritisiert in ihrem Antrag unter anderem die „kurz bemessenen“ Löschfristen und die „sehr hoch angesetzten Bußgelder“. Dies könne dazu führen, dass im Zweifelsfall mehr Inhalte gelöscht würden als rechtlich notwendig. Nach Ansicht der AfD erfüllen die Begriffe „Hate-Speech“ und „Fake News“ nicht die Kriterien exakter juristischer Tatbestände.

Die AfD-Bundesspitze hatte im Juni 2017 mit der Ankündigung, sie wolle eine Klage gegen das NetzDG beim Bundesverfassungsgericht prüfen, für Schlagzeilen gesorgt. Allerdings kann die Partei nicht vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, weil sie nicht antragsberechtigt ist – eine Landesregierung hingegen schon.

(Stand: 13. November 2017)

Der Landtag hat sich mit großer Mehrheit gegen gewaltverherrlichende, rassistische, verfassungsfeindliche und volksverhetzende Kommentare im Internet ausgesprochen. Ein einstimmig verabschiedeter Antrag der Jamaika-Koalition fordert die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für die Überprüfung des im Oktober in Kraft getretenen Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) einzusetzen. So sollen unter anderem Bedenken ausgeräumt werden, das Gesetz beschränke die Meinungsfreiheit.

Auf die Tagesordnung gesetzt hatte die AfD -Fraktion das Thema. Die Forderung der Oppositionsfraktion, die Landesregierung solle eine abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht beantragen, wiesen die anderen Fraktionen aber zurück. Über ein solches Verfahren kann geprüft werden, ob Normen des Bundes- oder Landesrechts mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Für Claus Schaffer (AfD) „gehört das NetzDG in den legislativen Mülleimer“. Das Gesetz privatisiere die Rechtsauslegung, und das sei verfassungsmäßig rechtsbedenklich.

Alle anderen Fraktionen hielten der AfD vor, sie wolle das Gesetz nur aus Eigeninteresse abschaffen. „Sie wollen, dass Ihre Protagonisten weiter im Netz verbreiten, was sie unter politischer Meinung verstehen“, konstatierte Stefan Weber (SPD). Wer seinen politischen Meinungsaustausch „in dubiosen Gruppen“ pflege, habe allen Grund gegen dieses Gesetz zu sein. Ähnlich argumentierte Rasmus Andresen (Grüne): „Die AfD will das Recht auf Online-Hetze, um Stimmung gegen Minderheiten und Andere zu machen.“

FDP: Justiz besser ausstatten

Der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka betonte, es müsse eine Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und dem Recht auf freie Meinungsäußerung geben. Deshalb solle das Gesetz „ernsthaft“ überprüft werden, um auch den bestehenden Kritiken und Bedenken Rechnung zu tragen. Dazu zählten die Themen Beweissicherung, Löschungsfristen, Auskunftspflichten, Reaktionszeiten und Speicherpflichten. „Das Netz ist nicht der Wilde Westen“, so Kalinka. Stephan Holowaty (FDP) machte deutlich, es sei Aufgabe der Justiz zu entscheiden, was Recht ist und was nicht. Dafür würden mehr Stellen und Mittel gebraucht.

Flemming Meyer (SSW) kritisierte die Bundesregierung. Der AfD-Antrag sei ein Indiz dafür, dass das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zurzeit eines erreicht hat: „Es ist Wasser auf die Mühlen von Verschwörungstheoretikern, Populisten und Extremisten. Die posaunen doch jetzt bereits pausenlos herum, dass ihre Weltsicht von einer nicht näher genannten Elite verboten würde. Da passt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz prima ins Weltbild.“

Ministerin warnt vor vorschnellem Aktionismus

Schleswig-Holsteins Justizministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) sprach sich dafür aus, mindestens bis Anfang 2018 abwarten, wie sich das Gesetz auswirke. Vorzeitiger Aktionismus sei nicht angebracht. „Wer Meinungsvielfalt will, darf selbst nicht die Grenzen des Rechts übertreten und das hinterher bedauern“, sagte die Ministerin. Sie machte deutlich, dass es in Deutschland Strukturen zur Bekämpfung von Internetkriminalität gebe. Bei der Personalausstattung müsse  aber gegebenenfalls nachgesteuert werden.

Antrag

Netzwerkdurchsetzungsgesetz verfassungsrechtlich überprüfen

Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 19/301

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP – Drucksache 19/347