Die Jamaika-Koalition hält bei der Überarbeitung der Regionalpläne für den Windkraftausbau an ihrem Vorhaben fest, die Abstände von Windrädern zu Ortssiedlungen von 800 auf 1.000 Meter zu erhöhen. Zudem wollen CDU, Grüne und FDP prüfen, ob durch das sogenannte Repowering – dem Ersetzen alter Windkraftanlagen durch größere – eine Flexibilisierung der Abstände möglich ist.
Die Regionalpläne und der Streit darum gehen auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Schleswig aus dem Frühjahr 2015 zurück. Die Richter hatten unter anderem gerügt, dass bei der früheren Regionalplanung Gemeinden von vornherein von der Ausweisung von Eignungsflächen ausgeschlossen worden waren, weil sie gegen den Windkraftausbau votiert hatten. Um den Bau neuer Anlagen nicht ganz zu stoppen und zugleich einen Wildwuchs zu verhindern, beschloss der Landtag in der vorigen Wahlperiode, Neubauten vorläufig grundsätzlich zu untersagen, aber Ausnahmen zu erlauben.
Den aktuell vorgesehenen Fahrplan bei der Neugestaltung der Regionalplanung hatte am Mittwoch Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in einer Regierungserklärung vorgegeben. Demnach sollen rund 6.500 Einsprüche gegen die alte Ausbauplanung bis Jahresende abgearbeitet werden und neue Planungen bis Mitte 2018 vorliegen.
SPD: Investitionsstau von drei Milliarden Euro
Anlass der Debatte war ein Vorstoß der SPD, die die Landesregierung Antrag auffordern wollte, die Planung zügig voranzutreiben. Verzögerungen gefährdeten die Energiewende und viele hundert Arbeitsplätze, heißt es in dem Antrag, der von der Koalition schließlich abgelehnt wurde.
„Sie fahren die Energiewende an die Wand“, warnte Thomas Hölck (SPD) in der Debatte vor weiteren Verzögerungen. Der Landtag könne das bis Ende 2018 gültige Moratorium für einen Planungsstopp nicht rechtssicher verlängern. In diesem Fall sei mit Klagen zu rechnen. Zudem wäre angesichts der drohenden Rechtsunsicherheit mit einem Wildwuchs beim Windkraftausbau zu rechnen. Schon jetzt lägen Anträge für die Ausnahmegenehmigungen von 693 Windkraftanlagen vor.
Derzeit würden kaum Ausnahmegenehmigungen erteilt, weil Rechtssicherheit fehle, sagte Hölck. Fast 700 Anträge warteten derzeit auf eine Genehmigung. Es gebe einen Investitionsstau von drei Milliarden Euro. Hölck verwies darauf, dass in der Windbranche 12.000 Arbeitsplätze im Land geschaffen wurden. Die maritime Industrie samt Zulieferern habe 9.500.
Grote: Es wird mit Hochdruck „gründlich“ gearbeitet
„Wir streiten nicht über das Ob, sondern über das Wo und das Wie“, versuchte Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) zu beschwichtigen. Klar sei, dass der Windkraftausbau mit größtmöglicher Akzeptanz in der Bevölkerung erfolgen müsste. „Wir müssen die Energiewende mit den Menschen umsetzen“, sagte Grote und versprach, die 6.500 Einwendungen mit Hochdruck „gründlich“ abzuarbeiten.
Hierfür will die Landesregierung die Kommunen „vom Risiko gemeindlicher Planungen entlasten“, die Regionalpläne zur Grundlage machen, eine Konzeptionsplanung auf den Weg bringen, den bestehenden Wildwuchs zurückbauen, die Planung am Ziel von zehn Gigabit Energieerzeugung ausrichten und die Abstände vergrößern. Mit Blick auf das auslaufende Moratorium stellte Grote klar, dass es möglich sei, den drohenden Wildwuchs über die Planungsgesetzgebung zu verhindern.
FDP: SPD lenkt von eigenen Versäumnissen ab
Der Koalition komme es darauf an, wieder mehr Akzeptanz für den Windkraftausbau zu schaffen, stellte auch die CDU-Abgeordnete Petra Nicolaisen klar. Klar sei, dass dort wo der Wind weht und wo Anlangen akzeptiert sind, auch weiterhin Windenergie produziert werden solle. „Es wäre Schwachsinn, die Repoweringflächen ins Landesinnere zu verlegen“, sagte Nicolaisen. Ein Grundsatz-Antrag der Koalitionsfraktionen wurde gegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Bernd Voß von den Grünen räumte ein, „die Verzögerungen durch das OVG-Urteil machen uns schwer zu schaffen“. Das Moratorium könne nicht beliebig verlängert werden. Deshalb werde es, wenn nicht zügig Ergebnisse geliefert werden, schwierig mit einer geordneten Umsetzung der Energiewende. Anschließend warf Oliver Kumbartzky (FDP) der SPD vor, von eigenen Versäumnissen abzulenken. Die Sozialdemokraten hätten die Bedenken der Bevölkerung nicht ernst genommen und „aus Windkraftbefürwortern Windkraftgegner gemacht“.
AfD will Windkraft nur Off-Shore
Grundsätzliche Skepsis gegenüber der Windenergie an Land äußerte Doris von Sayn-Wittgenstein (AfD). Die Windkraftanlagen hätten „alte Kulturlandschaften in Industriegebiete verwandelt“. Zudem würden die Abstände zu den Siedlungen an „Körperverletzung“ grenzen. Der weitere Ausbau der Windkraft müsse grundsätzlich „auf dem Meer“ (Off-Shore) stattfinden.
Lars Harms (SSW) warnte schließlich davor, die bestehenden Regionalpläne zu verwerfen. Wer den laufenden Prozess gefährde oder gar abbreche, der „handelt politisch grob fahrlässig“, so Harms. Der Ausbau der Windenergie wäre dann über Jahre gefährdet, weil dann die rechtliche Planungsgrundlage fehlen würde.
Laut Koalitionsvertrag sind in der Regel die Abstände von Windkraftanlagen zu Einzelhäusern auf bis zu 500 Meter und zu geschlossener Bebauung auf bis zu 1.000 Meter definiert. Die neue Regierung will dafür das Repowering (Erneuerung alter Anlagen) erleichtern. Die von der rot-grün-blauen Vorgängerregierung veranlasste Regionalplanung sah Abstände von 400 beziehungsweise 800 Meter vor.