Die von der Jamaika-Koalition geplante Abkehr vom Turbo-Abitur ist bei der Opposition auf harsche Kritik gestoßen. Die Sozialdemokraten, die sich im Wahlkampf für das achtjährige Gymnasium (G8) stark gemacht hatten, brandmarkten den von den Regierungsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf als „Schulentmündigungsgesetz“. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hielt dagegen: Die Rückkehr zu G9 schaffe Grundlage für ein Jahr mehr Lernen und entlaste die Schüler.
Ein Kernpunkt der Diskussion ist die in dem Entwurf enthaltene Regelung, wonach Gymnasien sich für einen G8-Verbleib entscheiden können, sofern die jeweilige Schulkonferenz mit einer Drei-Viertel-Mehrheit dafür stimmt, sowie der Ministervorbehalt bei der endgültigen Entscheidung. Dies sei „Eigenverantwortungssimulation“, hieß es aus den Reihen der SPD.
Für die von der Koalition geforderte Dreiviertel-Mehrheit gebe es „keine sachliche Begründung“, monierte Martin Habersaat (SPD). Selbst bei Verfassungsänderungen sei nur eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Ein Antrag der SPD ruft dazu auf, eine einfache Mehrheit anzuerkennen bei der Abstimmung in der Schulkonferenz. Habersaat kritisierte auch, dass die letzte Entscheidung über den Verbleib bei G8 bei der Ministerin liegen soll. In dieselbe Richtung argumentierte die SSW-Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.
Hierzu merkte Bildungsministerin Prien an: Die von der SPD kritisierte Regelung, wonach die „Letztendscheidung“ immer beim Ministerium liege, führe „die Menschen hinter die Fichte“. Eine solche Entscheidung liege immer beim Ministerium, stellte sie klar. Das Tempo bei dem Gesetz, das noch in diesem Jahr verabschiedet werden soll, sei nötig, damit schnellstmöglich Klarheit herrsche, so Prien. G8-willige Gymnasien sollen laut dem Gesetzentwurf bis Ende März kommenden Jahres abstimmen.
CDU: Zentrales Wahlkampfversprechen wird umgesetzt
Mit dem Gesetz setze die Koalition ein zentrales Wahlkampfversprechen der CDU um, stellte Tobias Loose (CDU) klar. Die Schüler sollten wieder mehr Zeit zum Beispiel für ehrenamtliches Engagement bekommen. Die Kritik an der geforderten Drei-Viertel-Mehrheit in der Schulkonferenz wies Loose zurück: „Wir wollen, dass, wenn die Schulen anders entscheiden, sie sich auch sicher sind.“
Eine „qualifizierte Mehrheit“ bei der Abstimmung von Schülern, Eltern und Lehrern sei notwendig, konstatierte Anita Klahn (FDP). Wenn eine Zwei-Drittel-Mehrheit bereits reiche, bestehe die Gefahr, dass eine Gruppe die Entscheidung blockiere. Ines Strehlau (Grüne) wiederum machte deutlich, dass ihre Fraktion „auch mit einer Hürde hätte leben können“. Abgesehen davon gebe es für G9 gute Gründe. Die Schultage seien kürzer, die Jugendlichen hätten mehr Zeit für Freunde und könnten ihre Persönlichkeit weiter entwickeln.
Dem AfD-Abgeordneten Frank Brodehl geht der Gesetzesvorstoß nicht weit genug. Er forderte, G8 ohne Wenn und Aber abzuschaffen und keine Ausnahmeregelungen zuzulassen.
Der Gesetzentwurf und der Änderungsantrag werden nun im Bildungsausschuss diskutiert.