Die von der Regierungskoalition geplante Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren ab dem Schuljahr 2019/2020 hat zu einer emotionalen Debatte über den Dialog mit den Schulen und ihren Wahlmöglichkeiten geführt. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) erklärte, sie wolle noch im August und September mit allen betroffenen Gremien sprechen, um eine zügige Umsetzung des sogenannten G9 zu gewährleisten. Die Opposition kritisierte unter anderem „hohe Hürden“ für Schulen, die sich gegen G9 entscheiden wollen.
Sie führte in der Debatte eine ganze Reihe von Problempunkten zu den Koalitionsplänen an. So warf Jette Waldinger-Thiering (SSW) der Regierung angesichts der Pressemitteilung der Bildungsministerin am Tag vor der Debatte „schlechten parlamentarischen Stil“ vor. „Wir brauchen ein parlamentarisches, sauberes Verfahren.“ Das sehe sie derzeit nicht. „Die Betroffenen erfahren vielmehr aus Parteipapieren oder Medien, dass nun zum Beispiel im Grundschulbereich oder beim Thema Inklusion umfassende Änderungen vereinbart wurden“, sagte sie.
SPD: Dreiviertel-Mehrheit ist „willkürlich gesetzt“
SPD-Bildungsexperte Martin Habersaat kritisierte vor allem die „willkürlich gesetzte und wahnsinnig hohe Hürde“ für Schulen, wenn sie beim G8- oder Y-Modell (eine Kombination aus G8 und G9) bleiben wollen. Dies muss die Schulkonferenz mit Drei-Viertel-Mehrheit beschließen. Außerdem erinnert Habersaat daran, dass die Schulen neue Klassen- und Fachräume bräuchten.
Doris von Sayn-Wittgenstein (AfD) forderte mehr Eigenverantwortung der Schulen im Sinne des Subsidiaritätsprinzips. Sie sollen entscheiden, wie sie ihren Gymnasialzweig ausformen wollen. „Dass wir heute über das Thema debattieren, wundert mich. Wir sollten die wichtige Zeit lieber für die Zukunft unseres Landes verwenden“, sagte sie.
Die Regierungskoalition wies die Oppositionskritik zurück und hob hervor, dass die Schüler mit der Rückkehr zu G9 wieder mehr Zeit für soziales, ehrenamtliches, politisches oder sportliches Engagement hätten. Dies sei in Umfragen von einer deutlichen Mehrheit der Eltern, Schüler und Lehrer auch so gewollt.
„Die Rahmenbedingungen haben sich im Vergleich zu früher geändert“, sagte Tobias Loose (CDU). Heute gebe es keine Wehrpflicht mehr, dafür Studienzeitverkürzung und Unterrichtsverdichtung an Schulen.
Klahn: „G9 ist das passgenaue Angebot“ für Viele
„Mit der Rückkehr zu G9 liegen wir im Bundestrend der westlichen Bundesländer“, schloss Ines Strehlau (Grüne) an. Sie versprach, auch die Gemeinschaftsschulen würden unterstützt, damit sie „eine starke Säule im Bildungssystem“ blieben. Und Anita Klahn erklärte, es gehe darum, was für die Schüler das Beste sei. „Für viele, nicht für alle, aber für den größeren Teil der Schülerinnen und Schüler ist G9 dabei das passgenauere Angebot“, merkte sie an.
„Entscheidend ist es für uns, dass die Eltern schon Ende Februar 2018, wenn die Informationsveranstaltungen an den weiterführenden Schulen stattfinden, wissen, ob die jeweilige Schule künftig G8 oder G9 anbietet“, hob Bildungsministerin Karin Prien hervor. Sie wolle die Schulen nicht mit einer lange andauernden Debatte über G9 belasten. Es müsse mit allen Beteiligten geprüft werden, welche Auswirkungen die Rückkehr zu G9 vor Ort haben werde. „Wir werden sorgfältig rechnen und unsere Schlüsse ziehen“, sagte Prien.
Koalition will Bildungsbereich stärken
CDU, Grüne und FDP beschlossen einen Drei-Punkte-Alternativantrag, der die Landesregierung unter anderem auffordert, die nach der Umstellung frei werdenden Stunden aus dem bisherigen Nachmittagsunterricht zur „Stärkung des Bildungsbereichs an allen Schularten“ einzusetzen. Der Ursprungsantrag der SPD wurde mehrheitlich abgelehnt.